Der Schweizer Immobilienmarkt ist von Corona vollständig genesen, steht aber wegen den Folgen des Krieges in der Ukraine vor neuen Herausforderungen. So lässt sich das Fazit von Prof. Dr. Donato Scognamiglio, CEO der IAZI AG, zu den neuesten Entwicklungen am Mark kurz zusammenfassen.

Der Markt für Renditeimmobilien hat im vergangenen Jahr einen wahren Rebound vollzogen, wie die Kennzahlen und Fakten aus dem aktualisierten IAZI Swiss Property Benchmark® per Ende 2021 eindrücklich zeigen. Die Wertentwicklungen der Liegenschaften verzeichnen Rekordwerte. Obwohl sich der Markt für Renditeliegenschaften im 2021 sehr gut entwickelt hat und die Performance gar an den Wert vom Vor-Corona-Jahr 2019 angeschlossen hat, bleibt eine Prognose für 2022 mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet.

Immobilieninvestoren mit Entwicklung im Jahr 2021 zufrieden

Für Schweizer Immobilieninvestoren war das Jahr 2021 sehr erfolgreich. Mit ihren inländischen Immobiliendirektanlagen (Renditeliegenschaften) erzielten sie eine Performance von 6.4% (5.8% im Vorjahr). Das ist das beste Ergebnis seit sieben Jahren. Die Performance misst die Gesamtrendite von Liegenschaften. Sie zeigt, welche Mieteinnahmen (minus Ausgaben) und Wertveränderungen die Investoren mit ihren Liegenschaften erzielen. Stark verbessert haben sich die Ergebnisse bei Geschäftsliegenschaften, hat sich doch deren Performance auf 5.6% (Vorjahr: 4.5%) erhöht. Das ist umso erfreulicher, als dass Geschäftsliegenschaften während der Corona-Pandemie stark unter Druck standen.

Quelle: IAZI AG

Immo-Fonds investieren primär in Wohnliegenschaften, Immo-AGs eher in Geschäftsliegenschaften. Auch diese haben sich anfangs 2022 wieder gut erholt.

Mit reinen Mehrfamilienhäusern haben Investoren im 2021 einmal mehr mit die besten Ergebnisse erzielt. Deren Performance liegt mit einem Wert von 7.1% (Vorjahr: 6.7%) sehr hoch und ist wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Pandemie. «Diese hohen Performance-Werte sind für die Anleger äusserst erfreulich. Sie zeigen, dass der Optimismus in den Immobilienmarkt letztes Jahr definitiv zurückgekehrt ist», sagt Scognamiglio, CEO von IAZI im Rahmen des gestrigen Medienanlasses. Und weiter: «Beim Ausbruch der Pandemie im Jahre 2020 war die Unsicherheit hoch und die Bewertungen vorsichtig. Davon ist im letzten Jahr kaum mehr etwas zu spüren».

Marktwerte erreichen neues Allzeithoch

Die Wertentwicklung aller analysierten Schweizer Renditeliegenschaften beträgt im 2021 stolze 3.5% (Vorjahr: 2.7%). Mehrfamilienhäuser waren bei Investoren äusserst begehrt; deren Marktwerte sind 2021 um 4.1% (Vorjahr: 3.6%) gestiegen. Damit erreichen sie ein neues Allzeithoch. Bei den Geschäftsliegenschaften liegt die Aufwertung bei 2.7%. «Die Bewertungen der kommerziellen Renditeliegenschaften deuten darauf hin, dass sich der Detailhandel im 2021 recht erholt und einen wahren Rebound vollzogen hat», sagt Donato Scognamiglio.

Da die letzten Jahre von sinkenden Zinsen und geringer Inflation geprägt waren, hat sich die Entwicklung der Mieten von der Entwicklung der Marktwerte in den letzten rund 20 Jahren entkoppelt, da die Mieten im Rahmen des geltenden Mietrechts nicht beliebig anpassen lassen. Aber trotz der relativ gering steigenden Mieten sind die Investoren offenbar bereit, immer höhere Werte für die Mehrfamilienhäuser zu bezahlen.

Quelle IAZI AG

Verliefen die Mieten und Marktwerte bis zur Finanzkrise ziemlich kongruent, zeigt sich ab 2007/2008 eine sich laufend vergrössernde Schere zwischen der Mietkurve und der Marktwertkurve. In den letzten rund 20 Jahren hat sich der Marktwert von Schweizer Renditeliegenschaften fast verdoppelt, während die Mieten «nur» um rund 25% gestiegen sind.

Leerstände konnten abgebaut werden

«Als sehr positiv werte ich auch, dass der Markt einen Teil der Leerstände im letzten Jahr abbauen konnte», so Scognamiglio weiter. So beträgt der Leerstand im 2021 5.1% (Vorjahr: 5.9%), was eine deutliche Reduktion darstellt.

 

Die hier verwendete Leerstands-Kennzahl entsprechen den nicht realisierten Mieteinnahmen, d.h. inklusive Mietzinsverbilligungen, Rabatten sowie mietfreien Zeiten.

Am meisten gesunken sind die Leerstände bei Geschäftsliegenschaften; diese betragen nur noch 6.8% (Vorjahr: 8%). Aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnungen haben selbst die Leerstände bei Mehrfamilienhäuser abgenommen (2021: 3.6%; 2020: 4.0%). Die Leerstände entsprechen in dieser Analyse den nicht realisierten Mieteinnahmen, d.h. inklusive Mietzinsverbilligungen, Rabatten sowie mietfreien Zeiten.

Unsicherer Ausblick: Stagflationsängste machen sich breit

Obwohl sich der Markt für Renditeliegenschaften im 2021 von seiner besten Seite gezeigt und sich die Performance wieder auf dem Niveau von Vor-Corona (2019) eingependelt hat, bleibt der Ausblick mit hoher Unsicherheit behaftet. Die Inflation ist in der Schweiz angekommen und droht weiter anzusteigen. Rekordhohe Energie- und Treibstoffpreise machen sich nicht nur an den Zapfsäulen, sondern auch in der Beheizung von Liegenschaften und später mal in der Nebenkostenabrechnung von der Mieterschaft bemerkbar.

Quelle: IAZI AG

Die Lage in der Ukraine weckt zusätzlich den Wunsch nach «sicheren» Wertanlagen. Mit ihrem stabilen Charakter und einem regelmässigen Cashflow bleiben Immobilien vor diesem Hintergrund ein gefragter Sachwert.

Die US Federal Reserve und die Europäische Zentralbank haben bereits das Ende der Ära des billigen Geldes eingeleitet. Die ersten Zinserhöhungen hat die FED vollzogen. Wie lange sich die Schweizerische Nationalbank diesem Trend noch entziehen kann, bleibt derzeit ungewiss. Inzwischen hat die Inflation das von der SNB gesetzte Zielband von 2% überschritten.

Kommt jetzt die Zinswende?

Einigen Immobilieninvestoren kämen höhere Zinsen schlecht gelegen, vor allem wenn sie sich zu sehr hohen Preisen in den Markt eingekauft haben und sehr hoch fremdverschuldet sind. Ein starker Zinsanstieg würde zu einer beachtlichen Reduktion der Liegenschaftswerte führen. Doch die meisten Sorgenfalten bereitet den Ökonomen derzeit das Schreckgespenst der so genannten Stagflation. Diese Situation wäre gegeben, wenn die Inflation weiter steigt, während das Wirtschaftswachstum abgewürgt wird. Allerdings liegt auch eine gewisse Hoffnung in der Tatsache, dass die Schweiz die Corona-Krise sehr schnell überwunden hat und sich trotz den anfänglichen Befürchtungen und Rezessionsszenarien in den vergangenen zwei Jahren sehr resilient gezeigt hat.