Vom 23. September 2021 bis am 6. März 2022 zeigt das Vitra Design Museum in Weil am Rhein, wie Frauen als Gestalterinnen von Möbeln, Mode oder Industrieprodukten und als Innenarchitektinnen oder Unternehmerinnen entscheidende Beiträge zur Entwicklung des modernen Designs geleistet haben. In den Geschichtsbüchern des Designs kommen sie jedoch viel seltener vor als Männer.
Mit »Here We Are! Frauen im Design 1900 – heute« will das Vitra Design Museum dazu beitragen, dies zu ändern. Die Ausstellung präsentiert Gestalterinnen der letzten 120 Jahre und erzählt vor dem Hintergrund des Kampfs um Gleichberechtigung eine neue, vielstimmige Designgeschichte. Gezeigt werden Werke von rund 80 Designerinnen, darunter Protagonistinnen der Moderne wie Eileen Gray, Charlotte Perriand, Lilly Reich oder Clara Porset, Unternehmerinnen wie Florence Knoll und Armi Ratia, aber auch weniger bekannte Persönlichkeiten wie die Sozialreformerin Jane Addams. Zeitgenössische Positionen werden durch Designerinnen wie Matali Crasset, Patricia Urquiola, Julia Lohmann oder das Kollektiv Matri-Archi(tecture) vertreten und führen BesucherInnen in die Gegenwart und Zukunft.
Heute ist rund die Hälfte der Designstudierenden weiblich, und Frauen sind in vielen zukunftsweisenden Designbereichen federführend. Anhand einer Vielzahl hochkarätiger Exponate verfolgt die Ausstellung »Here We Are! Frauen im Design 1900 – heute« das kreative Schaffen und die Arbeitsbedingungen von Frauen im Design von der frühen Moderne bis in die Gegenwart – von den ikonischen Objekten einer Eileen Gray über bislang kaum bekannte Neuentdeckungen bis hin zu heutigen Aktivismus-Netzwerken und feministischer Designforschung. So entsteht eine Standortbestimmung zu einem gesellschaftlich hochaktuellen Thema, die das moderne Design in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Die Ausstellung ist in vier Bereiche gegliedert
Die Ausstellung gliedert sich in vier Bereiche, die die Museumsgäste auf eine Reise durch die letzten 120 Jahre Designgeschichte mitnehmen.
Im ersten Bereich liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung des Designs in Europa und den USA, wo um 1900 das Berufsbild des modernen Designs entstand – zur gleichen Zeit, als Frauen öffentlich für mehr politische Mitbestimmung kämpften. Diese Emanzipationsbestrebungen spiegelten sich auch im Design, etwa in der Arbeit der Sozialreformerinnen Jane Addams und Louise Brigham, die heute unter den Begriff »Social Design« fiele. Unterdessen prägte die New Yorkerin Elsie de Wolfe das damals neue Berufsfeld der Innenarchitektur. Auch die Werke von Gestalterinnen am Bauhaus, an den russischen WChUTEMAS (Höhere Künstlerisch-Technische Werkstätten) oder den Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau werden untersucht. Eine bislang weitgehend unentdeckte Welt eröffnet sich an der Schule Loheland, die wie das Bauhaus 1919 gegründet wurde, aber nur Frauen aufnahm.
Der zweite Ausstellungsbereich widmet sich den 1920er- bis 1950er-Jahren. In dieser Ära konnten Designerinnen wie Charlotte Perriand, Eileen Gray oder Clara Porset in der nach wie vor patriarchalischen Gesellschaft erste internationale Erfolge verbuchen. In der Pariser Luxusindustrie prägte Jeanne Toussaint als Creative Director jahrzehntelang die Kreationen des Schmuckhauses Cartier. Sie führte das so genannte »Département S«, dessen Produkte den Bedürfnissen der modernen Frauen der 1920er-Jahre entgegengekommen sollten, und stand für Schöpfungen, die ein fortschrittliches, selbstbewusstes Frauenbild repräsentierten. Einige der in der Ausstellung porträtierten Designerinnen arbeiteten eng mit ihrem Partner zusammen, etwa Ray Eames mit ihrem Mann Charles oder Aino Aalto mit Alvar Aalto. Oft standen die Frauen dabei im Schatten ihrer Partner, doch die Ausstellung zeigt, dass sie in vielen Fällen deutlich wichtigere Beiträge zu dem gemeinsamen Werk leisteten als bislang bekannt war.
Der dritte Bereich thematisiert die Jahrzehnte von 1950 bis Ende der 1980er-Jahre, in denen insbesondere ab den 1960er-Jahren eine zweite Welle des Feminismus der konservativen Nachkriegsmentalität entgegentrat. Beispiele wie die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) von 1958 zeigen, dass Frauen auch im Design häufig mit häuslichen Tätigkeiten assoziiert wurden, trotz solcher Einschränkungen aber oft ausserordentliche Werke produzierten. Die Rollenbilder und die Möglichkeiten von Frauen im Design veränderten sich stetig weiter: Die Ambivalenz und die Umbrüche dieser turbulenten Ära spiegeln sich in den poppigen Marimekko-Designs der 70er-Jahre oder den postmodernen, teilweise spektakulären Objekten italienischer Designerinnen wie Nanda Vigo, Gae Aulenti oder Cini Boeri.
Mit dem vierten Bereich kommt die Ausstellung in der Gegenwart an. Werke international etablierter Designerinnen wie Matali Crasset, Patricia Urquiola, Inga Sempé, Ilse Crawford oder Hella Jongerius belegen, dass Frauen im Design heute ebenso selbstverständlich international erfolgreich sind wie Männer. Manche Designerinnen sprengen die etablierten Grenzen ihrer Disziplin und tragen massgeblich dazu bei, das Design neu zu definieren.
Praktische Informationen zur Ausstellung
Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Programm begleitet, darunter Workshops, Online-Talks und Events auf dem Vitra Campus. Deutschsprachige Ausstellungsführung »Here We Are! Frauen im Design 1900 – heute« gibt es ab dem 2. Oktober 2021 jeden Samstag und Sonntag um 15 Uhr; Startpunkt: Vitra Design Museum, Charles-Eames-Strasse 2, D-79576 Weil am Rhein.
Die Ausstellungen sind täglich von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Tickets können Sie gleich hier online buchen.