Die Fondation Beyeler in Riehen zeigt noch bis am 26. Januar 2025 die erste Henri-Matisse-Retrospektive in der Schweiz und dem deutschsprachigen Raum seit fast 20 Jahren. Anhand von über 70 bedeutenden Werken aus namhaften europäischen und amerikanischen Museen sowie Privatsammlungen richtet die Ausstellung den Blick auf die Entwicklung und Vielfalt im wegweisenden Schaffen des Künstlers. Als Ausgangspunkt dient dabei Charles Baudelaires berühmtes Gedicht “Einladung zur Reise“, das zahlreiche Schlüsselthemen aufweist, die auch in Matisse’ Werken zu finden sind. Die darin als poetische Leitmotive vorkommenden Begriffe Überfluss, Ruhe und Genuss («luxe, calme et volupté») finden sich gleichsam als Leitgedanken bei Matisse und fassen die Quintessenz seiner Kunst zusammen. Baudelaires Gedicht folgend, lädt die Ausstellung in der Fondation Beyeler so auch zu einer Reise durch das Schaffen von Matisse ein, in dem seinerseits dem Reisen eine wichtige Rolle zukam.

HENRI MATISSE, LUXE, CALME ET VOLUPTÉ, 1904Öl auf Leinwand, 98.5 x 118.5 cm Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Dation, 1982, Depositum im Musée d‘Orsay, 1985 © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: © RMN-Grand Palais (musée d‘Orsay) / Hervé Lewandowski

HENRI MATISSE, LUXE, CALME ET VOLUPTÉ, 1904; Öl auf Leinwand, 98.5 x 118.5 cm; Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Dation, 1982, Depositum im Musée d‘Orsay, 1985; © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich; Foto: © RMN-Grand Palais (musée d‘Orsay) / Hervé Lewandowski

Henri Matisse (1869–1954) zählt zu den berühmtesten Künstlern der Moderne. Sein bahnbrechendes Werk hat seine Zeit und viele spätere Künstlergenerationen bis heute wesentlich geprägt. In der Befreiung der Farbe vom Motiv und in der Vereinfachung der Formen hat er die Malerei neu definiert und dabei eine bis dahin unbekannte Leichtigkeit in die Kunst gebracht. Auch in der Bildhauerei war Matisse ein Innovator, und in seinen späten Scherenschnitten entfaltete er ein unverwechselbares Zusammenspiel von Malerei, Zeichnung und Skulptur.

HENRI MATISSE, GRAND NU COUCHÉ (NU ROSE) [GROSSER LIEGENDER AKT (ROSAFARBENER AKT)], 1935Öl auf Leinwand, 66.4 x 93.3 cm The Baltimore Museum of Art, The Cone Collection, gegründet von Dr. Claribel Cone und Etta Cone, Baltimore, Maryland, 1950 © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Mitro Hood

HENRI MATISSE, GRAND NU COUCHÉ (NU ROSE) [GROSSER LIEGENDER AKT (ROSAFARBENER AKT)], 1935
Öl auf Leinwand, 66.4 x 93.3 cm; The Baltimore Museum of Art, The Cone Collection, gegründet von Dr. Claribel Cone und Etta Cone, Baltimore, Maryland, 1950; © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich; Foto: Mitro Hood

Die Ausstellung umspannt sämtliche Schaffensphasen des Künstlers. Sie setzt mit den um 1900 entstandenen Bildern der Frühzeit ein, führt über die revolutionären Gemälde des Fauvismus und die experimentellen Werke der 1910er-Jahre hin zu den sinnlichen Gemälden der Nizza-Periode und der 1930er-Jahre, um schliesslich in den legendären Scherenschnitten des Spätwerks der 1940er- und 1950er-Jahre zu gipfeln.
HENRI MATISSE, BAIGNEUSES À LA TORTUE (BADENDE MIT SCHILDKRÖTE), 1907-08Öl auf Leinwand, 181.6 x 221 cm Saint Louis Art Museum, Schenkung Mr. und Mrs. Joseph Pulitzer Jr. © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Saint Louis Art Museum

HENRI MATISSE, BAIGNEUSES À LA TORTUE (BADENDE MIT SCHILDKRÖTE), 1907-08; Öl auf Leinwand, 181.6 x 221 cm; Saint Louis Art Museum, Schenkung Mr. und Mrs. Joseph Pulitzer Jr.; © Succession H. Matisse / 2024; ProLitteris, Zurich; Foto: Saint Louis Art Museum

Die von Raphaël Bouvier kuratierte Ausstellung versammelt ikonische Werke sowie selten gezeigte Bilder aus renommierten Museen und Privatsammlungen. Dank dieser Fülle von bedeutenden Gemälden, Skulpturen und Scherenschnitten erschliessen sich die Entwicklung und der Reichtum von Matisse’ einzigartigem Œuvre.

HENRI MATISSE, INTÉRIEUR, BOCAL DE POISSONS ROUGES (INTERIEUR MIT GOLDFISCHGLAS), 1914Öl auf Leinwand, 147 x 97 cm Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Vermächtnis der Baronne Eva Gourgaud, 1965 © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Philippe Migeat

HENRI MATISSE, INTÉRIEUR, BOCAL DE POISSONS ROUGES (INTERIEUR MIT GOLDFISCHGLAS), 1914; Öl auf Leinwand, 147 x 97 cm; Musée national d’art moderne, Centre Pompidou, Paris, Vermächtnis der Baronne Eva Gourgaud, 1965: © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich; Foto: © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Philippe Migeat

Es war die künstlerische Suche nach dem idealen Licht, die Henri Matisse zu immer neuen Reisen veranlasste. Im Norden Frankreichs aufgewachsen, fand er es zunächst im mediterranen Süden des Landes, erkundete es danach weiter in Italien, Spanien und Nordafrika, dann auf einer in New York begonnenen Fahrt quer durch die USA und schliesslich in der Südsee. Auf seinen zahlreichen Reisen innerhalb und ausserhalb Europas, die den Künstler auch nach Russland führten, machte er Bekanntschaft mit für ihn neuen Naturräumen, Kulturen und Bildtraditionen, die er seinem eigenen Schaffen anverwandelte. Reisen und das damit verbundene Erlebnis des Lichts waren entscheidende Aspekte, die Matisse’ künstlerische Entwicklung vom revolutionären fauvistischen Frühwerk bis hin zu den späten ikonischen Scherenschnitten prägten.

HENRI MATISSE, INTÉRIEUR AU PHONOGRAPHE (INTERIEUR MIT GRAMMOFON), 1924Öl auf Leinwand, 100.5 x 80 cm Pinacoteca Agnelli, Turin © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli, Turin

HENRI MATISSE, INTÉRIEUR AU PHONOGRAPHE (INTERIEUR MIT GRAMMOFON), 1924; Öl auf Leinwand, 100.5 x 80 cm; Pinacoteca Agnelli, Turin; © Succession H. Matisse / 2024; ProLitteris, Zurich; Foto: Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli, Turin

So bildeten das Reisen und das Atelier als Arbeitsort die beiden Pole, zwischen denen sich Matisse’ künstlerisches Schaffen entfaltete. Sein Leben und Œuvre waren von den ständigen Wechselwirkungen zwischen dem Reisen im In- und Ausland und dem Sichniederlassen an unterschiedlichen Arbeitsstätten bestimmt. Auch sind Erfahrungen, Erinnerungen und Objekte des Reisens ebenso zentrale Themen seiner Werke, wie es das Atelier als Ort der künstlerischen Produktion ist. Im Schaffen von Matisse ist das offene Fenster ein immer wiederkehrendes Motiv. Als Ort des Übergangs zwischen Innen und Aussen, zwischen dem nahen Hier und dem fernen Dort, bringt es das Nebeneinander von Zu-Hause-Sein und Reisen zum Ausdruck. In seiner symbolischen Bedeutung erweist sich insbesondere das offene Fenster als «Einladung zur Reise».

HENRI MATISSE, INTÉRIEUR À LA FOUGÈRE NOIRE (INTERIEUR MIT SCHWARZEM FARN), 1948Öl auf Leinwand, 116.5 x 89.5 cm Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich Foto: Robert Bayer

HENRI MATISSE, INTÉRIEUR À LA FOUGÈRE NOIRE (INTERIEUR MIT SCHWARZEM FARN), 1948; Öl auf Leinwand, 116.5 x 89.5 cm; Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler; © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich; Foto: Robert Bayer

In einem eigens für die Ausstellung konzipierten Multimedia-Raum werden Matisse’ Reisen durch animierte historische Fotografien und Wandbilder erlebbar gemacht. Zudem ermöglichen Fotos und Filme Einblicke in seine Ateliers und den Entstehungsprozess seiner Werke.

Ein reich bebilderter Ausstellungskatalog erscheint begleitend zur Ausstellung im Hatje Cantz Verlag, Berlin. Mit ihren fundierten Texten haben zahlreiche Autorinnen und Autoren zur wissenschaftlichen Relevanz des Katalogs beigetragen.