Wermut ist ein Klassiker, den viele Leute verkennen. Wenn man hierzulande jemanden fragt, ob er einen Wermut möchte, denken viele einfach an Wein, der mit Kräutern, Früchten und Gewürzen aromatisiert und aufgespritet wurde. Luxury Defined, das Online-Magazin von Christie’s International Real Estate, stellt klar, dass Vermouth die Bezeichnung ist für „einen Cocktail-Klassiker, der nie aus der Mode kommt“. In seinem kürzlich veröffentlichten Artikel schreibt das Magazin: „Er mag als altmodischer Aperitif gelten – vielleicht der altmodischste im Kanon der Barkeeper -, aber ein moderner Trend für klassische Drinks hat Wermut in diesem Jahr zum heissesten Element im Cocktailschrank gemacht.“
Und Luxury Defined fährt fort: „Wermut, der jahrelang als Kuriosität im hinteren Teil des Cocktailschranks galt, steht wieder im Rampenlicht der Getränkewelt und ist nach Meinung vieler Analysten die am schnellsten wachsende Kategorie im Wein- und Spirituosenregal.
Mit einem Wert von 11,5 Milliarden Dollar im Jahr 2022 wird sich der Weltmarkt für den angereicherten Wein, der sich im Laufe der Jahrhunderte vom medizinischen Tonikum zum Aperitif entwickelt hat, bevor er als unverzichtbare Cocktailzutat ein neues Leben fand, als Kategorie noch vor Ende des Jahrzehnts mehr als verdoppeln.“
Früher war Wermut ausschliesslich rot oder weiss, heute gibt es ihn in dezenten bernsteinfarbenen Varianten, die andere Geschmacksnerven ansprechen. Und die Industriegiganten, die den Markt dominieren, werden zunehmend von handwerklichen Konkurrenten herausgefordert, die Mixologen mit ihren einzigartigen Mischungen aus lokal gesammelten Kräutern und Gewürzen begeistern.
Spiros Malandrakis, der für das Marktforschungsunternehmen Euromonitor als Leiter der globalen Forschung im Bereich alkoholische Getränke die weltweiten Trends im Spirituosenbereich verfolgt, glaubt, dass Nostalgie im Spiel ist und die Nachfrage nach Wermut in allen Schattierungen antreibt. „Die Menschen wollten schon immer das trinken, was ihre Grosseltern getrunken haben. Heute sind das die klassischen Cocktails – und wo immer es Cocktails gibt, gibt es auch Wermut“.
James Bond, der den weissen Wermut mit seinem Martini – geschüttelt, nicht gerührt, also eisgekühlt, aber ohne Eis – bekannt gemacht hat, ist sicherlich mitverantwortlich für das Revival der Cocktails mit Wermut. Und so wird er zubereitet: 5 Zentiliter Wodka, 1 Zentiliter Vermouth Dry, einige Eiswürfel und eine Olive in einen Shaker geben und gut mischen, ohne Eis in ein Martiniglas abseihen und die Olive dazugeben.
Die geheimnisvolle Kunst der Wermutzubereitung
Die Herstellung des Wermuts ist ein streng gehütetes Geheimnis, aber in der Destillerie Noilly Prat im südfranzösischen Marseillan spürt man etwas von der damit verbundenen Alchemie. Hier begannen die Nachfahren des Kräuterkundigen Joseph Noilly, der eine helle, trockene Version erfand, um den französischen Gaumen zu erfreuen, 1859 mit der Herstellung ihres weissen Wermuts. Die Mistelle – die reife Destillation von Muskatellertrauben, der junger, mit Kräutern und Gewürzen versetzter Wein hinzugefügt wird, um einen neuen Wermut herzustellen – wird in riesigen Fässern in einer grossen Halle aufbewahrt, die Besucher nach Voranmeldung betreten können.
Wenn man den Hof hinter der Halle durchquert, wo Dutzende von Fässern mit Picpoul-Trauben, Noillys bevorzugter lokaler Rebsorte als Grundlage für den Wermut, in einem einjährigen Kräuterbad sanft oxidieren, gelangt man in das abgedunkelte Chais (ein oberirdisches Lagergebäude für Wein), wo die eigentliche Magie stattfindet. Hier gibt es Säcke mit Aromastoffen, die die Artemisia (ein romantischerer Name für Wermut) ergänzen, darunter Muskatnuss, Lavendel, Kamille, Bitterorange und sogar Kakao, sowie Enzian und Vanille.