Seine Bilder erregen Aufsehen, erschüttern und empören: Oliviero Toscani hat als Fotograf, Creative Director und Bildredaktor Geschichte geschrieben und die Werbekommunikation auf den Kopf gestellt. Berühmt wurde Toscani durch Kampagnen für das italienische Modehaus Benetton, die ebenso ikonisch wie umstritten sind.
Nach seiner Ausbildung an der Zürcher Kunstgewerbeschule tauchte Toscani in New York in die «Street Photography» ein und wurde Teil der legendären Factory von Andy Warhol. In Europa etablierte er sich als Werbe- und Modefotograf, der die visuelle Provokation zu seinem Markenzeichen machte. Die Ausstellung im Zürcher Museum für Gestaltung umfasst erstmals Toscanis gesamtes Werk und gibt Anlass, gesellschaftliche Konventionen und aktuelle Themen wie Gender, Rassismus, Ethik und Ästhetik zu diskutieren.
Provokation ist Teil der Ausstellung
Eine Nonne und ein Priester beim keuschen Kuss, ein Mann auf dem Sterbebett umringt von seiner trauernden Familie, drei realistische, identische Herzen, die mit «Black», «Yellow» und «White» beschriftet sind – Oliviero Toscani hat die visuelle Provokation zu seinem Markenzeichen gemacht und polarisiert mit Tabuthemen wie dem Tod, freier Liebe und offen zelebrierter Sexualität. Für das italienische Modehaus Benetton realisierte Toscani ab Anfang der 1980er-Jahre ebenso umstrittene wie ikonische Werbekampagnen. Nach ersten, vergleichsweise klassischen Modeaufnahmen machte er den Firmenclaim «United Colors» mit Models aus allen Kontinenten zum Kern seiner Bildwelten.
Ab 1989 ist auf den Plakaten keine Mode mehr zu sehen. Im ständigen Kampf um Aufmerksamkeit verstand sich Benetton fortan als Katalysator für die Verhandlung drängender gesellschaftlicher Probleme. Einige warfen dem Konzern vor, Themen wie Rassismus, Gewalt und Ausgrenzung für seine Geschäfte zu instrumentalisieren.
«How much is too much?»
Trotz teils massiver Kritik radikalisierte Toscani die Kommunikation des Modehauses zusehends: Ab 1992 nutzte er für die Marke nur noch Bilder modeferner Themen wie AIDS, Umweltzerstörung oder Migration. Ein Jahr später gründeten der Firmeneigner Luciano Benetton und Oliviero Toscani die Fabrica, eine Schule für Kunstschaffende unter 25 Jahren aus allen Disziplinen. Das Magazin Colors der Fabrica folgte allein drei Prinzipien: no news, no famous people, ein Thema pro Heft. Eine äusserst kontroverse Kampagne gegen die Todesstrafe, die im Jahr 2000 internationale Empörung auslöste, bildete den Abschluss seiner Arbeit für Benetton.
Beeindruckendes Gesamtwerk
Die Ausstellung im Museum für Gestaltung Zürich ist über mehrere Jahre in enger Zusammenarbeit mit Oliviero Toscani entstanden. Mit über 500 Bildern zeigt sie das monumentale Gesamtwerk des Fotografen. „Die Werke von Oliviero Toscani lassen niemanden gleichgültig und sie provozieren uns bis heute. Seine Bilder erregen starke Emotionen und fordern uns zum Nachdenken und zum Dialog auf. Gleichzeitig beweist die Schau Toscanis Vielseitigkeit und Präzision in der Fotografie.“, sagt Christian Brändle, Direktor Museum für Gestaltung Zürich.
Neben der Werbung vereint die Ausstellung über 50 Jahre Modefotografie, mit ikonischen Bildern, Magazinen und Vintage Prints zum Anfassen.
Persönliche, nicht-kommerzielle Arbeiten wie die Aufarbeitung des Massakers von Sant’Anna di Stazzema (1944) und mehrere Filmdokumente runden die Ausstellung ab. Eingebettet ist Toscanis Langzeitprojekt «Razza umana» mit Portraits von Menschen aus allen Kontinenten, in dem sich das Publikum selbst verewigen kann.
Vermittlung
Das Vermittlungsprogramm mit Ausstellungsgesprächen, Workshops und Führungen ist auf der Website des Museums zu finden.
Öffnungszeiten
Die Ausstellung im Museum für Gestaltung, Ausstellungsstrasse 60, 8005 Zürich, dauert noch bis am 15. September 2024. Sie ist geöffnet von Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 17 Uhr, am Donnerstag von 10 bis 20 Uhr.
Weitere Informationen zum Besuch sowie Öffnungszeiten an Feiertagen finden Sie hier.