Gärten sind Spiegel von Identitäten, Träumen und Visionen, sie haben tiefe kulturelle Wurzeln und sind Ausdruck unserer Beziehung zur Natur. Heute ist der Garten viel mehr als ein romantisches Idyll. Gärten sind zu Orten der Avantgarde geworden, dienen als Experimentierfelder für soziale Gerechtigkeit, Biodiversität und eine nachhaltige Zukunft. Mit »Garden Futures« präsentiert das Vitra Design Museum noch bis am 3. Oktober 2023 eine sehenswerte Ausstellung zur Geschichte und Zukunft des modernen Gartens.
Die Ausstellung zeigt auf ansprechende Weise, welche Ideen und Vorstellungen unser heutiges Gartenideal geprägt haben, welchen Beitrag Gärten zu einer Zukunft leisten, die für alle lebenswert anhand von vielfältigen Beispielen aus Design, Alltagskultur und Landschaftsarchitektur. Gärten waren Schommer Räume, in denen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft Gestalt annimmt. Wo immer Menschen ein Stück Natur einhegen, um einen Garten anzulegen, spiegelt sich stets auch ihr eigenes Verhältnis zur Natur – und mitunter das ganzer Gesellschaften und Epochen.
Das verdeutlichen zum Auftakt der Ausstellung vielfältige Beispiele aus Kunst und Architektur in einer Medieninstallation. Der Garten erscheint hier als Ort, der sowohl unseren Alltag als auch unsere Fantasie beflügelt und mal ganz praktische, oft aber auch tiefe symbolische oder philosophisch-religiöse Bedeutung hat.
Aber selbst der intimste Garten ist nie nur persönlicher Rückzugsort, sondern stets auch Zeugnis sozialer und historischer Entwicklungen, politischer und wirtschaftlicher Interessen und kultureller Wertesysteme: Dies thematisiert der zweite Teil der Ausstellung. So wurzelt manche Staude, die heute in westlichen Gärten beheimatet ist, tief in der Kolonialgeschichte. Der Transport lebender Gewächse um die Welt wurde durch den so genannten Wardschen Kasten möglich, der den kommerziellen Pflanzenhandel und den privaten Garten veränderte, den globalen Austausch wichtiger Nutzpflanzen wie Tee oder Kautschuk im Interesse der Kolonialmächte beförderte und eng verknüpft ist mit der Ausbreitung invasiver Arten.
Ebenfalls im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche urbanistische Konzepte, die Stadt und Garten miteinander verbinden sollten. So formulierte 1898 der britische Sozialreformer Ebenezer Howard die Idee der Gartenstadt, in der sich auch ärmere Bevölkerungsschichten selbst versorgen können. Die von Liz Christy in New York initiierte Green-Guerrilla-Bewegung wiederum beansprucht den städtischen Garten als Raum für soziale Gerechtigkeit und öffentliche Beteiligung. Diese Bewegung wurde in den 1970er Jahren ausgerufen, doch die von Christy und ihren VorgängerInnen aufgeworfenen Fragen werden noch heute debattiert: Wer hat überhaupt Anspruch auf einen Garten, wozu ist ein Garten gut, und wie können Gärten in ein urbanes Umfeld integriert werden? Wie unterschiedlich die Antworten hierauf sein können, verdeutlichen im dritten Teil der Ausstellung neun wegweisende GartengestalterInnen der jüngeren Zeit. Die Beispiele zeigen, dass Gärten auf faszinierend vielfältige Weise die künstlerisch-gestalterische Haltung ihrer UrheberInnen zum Ausdruck bringen und als eigene Gestaltungsdisziplin an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Design mehr Beachtung finden sollten.
Der letzte Teil der Ausstellung betrachtet aktuelle Projekte, die sich mit der Zukunft des Gartens auseinandersetzen: Im Zeitalter von Klimakrise, sozialer Ungerechtigkeit, bedrohter Artenvielfalt und sozialer Isolation wird der Garten zu einem Ort für innovative Zukunftsvisionen. Vor diesem Hintergrund rückt der Garten als Ort der Heilung, der Spiritualität oder des Lernens in den Mittelpunkt.
Wie dieses Bewusstsein in Städte, Gebäude, Schulen und andere Bereiche getragen werden kann, veranschaulichen die aktuellen Gartenprojekte, die neben traditionellen und indigenen Praktiken auf einer sechs Meter langen Illustration des Architekten Thomas Rustemeyer dargestellt sind. Im Zeitalter des Anthropozäns – so die Botschaft dieser Projekte und der Forschung – müssen wir unseren gesamten Planeten als Garten verstehen, den wir verantwortungsvoll pflegen und nutzen.
Praktische Informationen zur Ausstellung
Die Ausstellung „Garden Futures“ dauert vom 25. März bis am 3. Oktober 2023. Der Besuch der Ausstellung kostet 21.00 €, bzw. 19.00 € für Jugendliche ab 12, Studierende, SeniorInnen, Menschen mit Behinderung, Gruppen ab 10 Personen, Kombination von 3 und mehr Tickets/Person; Kinder bis 12 frei. Tickets gibt es hier.
Das Vitra Design Museum befindet sich andere Charles-Eames-Str. 2 in D-79576 Weil am Rhein und ist täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr.
Zur Ausstellung erscheint eine reich bebilderte Publikation mit Essays, Interviews und Fallstudien: Hardcover mit Leineneinband, 24 x 28,5 cm, 228 Seiten, ca. 180 Abbildungen, ISBN 978-3-945852-52-1 (Deutsch), 55,00 €, erhältlich u.a. im Online-Shop des Vitra-Museums.